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CD-Tipps

LILLY MARTIN

LILLY MARTIN / MINETTA

In Sidney Lumets Film «Frank Serpico» zieht der Titelheld, gespielt von Al Pacino, aus Brooklyn in die Minetta Street Nummer 5 – 7, einer hübschen Strasse mit roten Backsteinhäusern, die dem Lauf des ehemaligen Minetta Creeks folgt, der zu Kolonialzeiten ein wichtiger Wasserlauf in Manhattan war. Dort siedelten die Holländer einst die sogenannten «teilweise befreiten» Sklaven an. Anfang vergangenen Jahrhunderts war die Prostitution dort zuhause. Und noch etwas steht in den Annalen der Strasse: Dort, wo heute ein mexikanisches Restaurant ist, gab es in den Sechzigerjahren eine Szenenkneipe namens «Fat Black Pussycat», in welcher Bob Dylan sein Lied Blowin’ In The Wind geschrieben hat.

In Wirklichkeit hat Serpico dort nicht gelebt, im Gegensatz zu Lilly Martin, die in diesem reizenden Strässchen in Greenwich Village aufgewachsen ist. Minetta heisst ihre neuste CD, die am 20. Januar 2018 im Moods ihre Taufe erlebt hat. Es ist ein sehr persönliches Album geworden, das eine attraktive Mischung aus urbanem Blues und gefühlvollem Soul enthält.

Musikalisch vielseitig, fröhlich, berührend und romantisch. So kann man dieses Album in wenigen Worten beschreiben. Lilly Martin und ihre gut eingespielte Band aus Oliver Keller (git), Markus Fritsche (b), Tom Beck (dr), Michael Dolmetsch (kb, Dobro), Cathryn Lehmann(Begleitgesang) und dem Gastmusiker Richard Koechli haben ein Schatzkästchen zusammengestellt, das Freude macht. Lilly Martin und Michael Dolmetsch beweisen ihre Qualitäten als Songwriter und Lilly Martin demonstriert eindrücklich, was für eine grossartige Sängerin sie ist.

Ihr halbes Leben hat Lilly Martin in der Schweiz verbracht und hat hier ihre zweite Heimat gefunden. Jeder mit einer ähnlichen Biographie kennt das Gefühl, an zwei Orten zuhause zu sein. Die Geräusche und Gerüche, die Bilder und die Lebensart prägen uns für ein ganzes Leben. Davon handelt dieses Album. Es ist jedoch kein nostalgisches Sehnen nach der Vergangenheit, oder gar ein Beklagen eines Verlustes, sondern eine Erinnerung an etwas, das gleichzeitig fern ist und doch immer nah bleiben wird.

Elf Titel enthält das Album, sechs davon stammen aus der Feder von Lilly Martin und Michael Dolmetsch, der das Album auch produziert hat. Die übrigen Titel stammen von Elvin BishopJoe MedwickDayna KurtzRick Gilles/Kim Wilson und Allen Toussaint. Aufgenommen und gemischt wurde es in den Little Mountain Studios in Männedorf und gemastert bei Sterling Sound New York. Das Booklet enthält die Texte aller Songs.

Der Reigen der Eigenkompositionen beginnt mit einem von Latin-Rock inspirierten Song, Life In The City, der mit seiner Poesie gleich die Bilder die im Kopf entstehen lässt, welche jedem, der schon mal in New York war, vertraut sind. Zu Beginn vernimmt man die Klänge einer weit entfernten Sirene eines Polizeifahrzeugs oder eines Krankenwagens, die in der Grossstadt immer wieder durch die geschlossenen Fenster dringen.

Der letzte Titel, Runway, ist eine Rückbesinnung auf die Jugendfreundschaft mit einem homosexuellen Freund aus der Kindheit, der viel zu früh starb, bevor er den Mut fand, sich ihr anzuvertrauen. Es ist ein langsamer, überaus zärtlicher Song über Liebe jenseits von Leidenschaft, den man unmöglich mit trockenen Augen zu Ende hören kann. Michael Dolmetsch zeigt, dass er nicht nur mit den Tasten, sondern auch mit der Dobro wunderbar Emotionen wecken kann.

Dazwischen eingebettet die restlichen Songs, die alle Facetten von Liebe und Verlangen, Verlust und Enttäuschung beschreiben. Slow Like Honeyhandelt vom Wunsch, die Liebe zu geniessen, langsam fliessend und süss, eben wie Honig. Hier steuert Richard Koechli sein wunderbares Slidespiel bei.

Ab und zu möchte wir alle weg, einfach hinaus in die Welt, eine Autoreise, am besten mit einem geliebten Menschen und für eine Weile alles hinter sich lassen, die Freiheit geniessen. One Good Turnbeschreibt diesen Wunsch nach Aufbruch mit einer mitreissenden, swingenden Melodie. You Satisfy Me ist ganz einfach eine romantische Liebeserklärung, So Many Ways ein fröhlicher Shuffle.

Auch die fünf Cover lassen sich hören. Hier gibt es zum Teil bereits Cover Versionen (I Pity the Fool: eine frühe Version von Bobby Bland, eine von der Tedeschi Trucks Band und eine von den Mannish Boys, oder  Rod Stewarts Version von Fooled Around and Fell in Love) Allesamt Versionen Martins tragen ihre eigene Handschrift und gefielen mir eigentlich besser als die Originale, oder die anderen Cover. (aus BLUESNEWS)

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