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JAMES COTTON 1935 – 2017

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Am 16. März 2017 starb in Austin (Texas) einer der bedeutendsten bluesmusiker unserer Zeit, James „Superharp“ Cotton.

Ich habe zwei Musikerfreunde geben, eine Würdigung für James Cotton zu schreiben.

Walter Liniger ist der Bluesprofessor aus Bern, der schon seit bald 30 Jahren in den USA lebt und eine Professur an der University of South Carolina in Columbia hat. In der Schweiz ist er bekannt als Blueskünstler, der bei seinen Auftritten nicht nur singt, Gitarre und Bluesharp spielt, sonder auch immer durch seine spannenden Geschichten zu begeistern weiss.

Ronny Kummer ist ein Kommunikationsfachmann aus Bern, der selber viel Musik macht und unter anderem in der 51 Fifty One Blues Band singt und Bluesharp spielt.

Gedanken zu James „Superharp“ Cotton (1935 – 2017)

2017, Wale Liniger, Columbia, South Carolina

James „Superharp“ Cotton wuchs auf einer Plantage in Tunica, Mississippi auf. Wie so mancher seiner Generation, fuehlte auch er sich gefangen in der schieren Endlosigkeit von Baumwolle und harter Arbeit. Nicht einmal zwanzig Jahre alt nimmt er eine musikalische Abrechnung auf: sein „Cotton Crop Blues,“ aufgenommen im Jahre 1954 fuer SUN Records in Memphis, erzählt einmal mehr die Geschichte der Verschuldung des Landarbeiters:

Raising a good cotton crop is just like a lucky man shooting dice –

You work all the summer to make your cotton

When fall come it still ain’t no price

 

Soweit die gelesene Vorgeschichte.

Was höre ich als Harp Spieler in Cottons Rhythmen und Tönen? Seine frühen Aufnahmen erinnern stark an sein erstes Vorbild, Sonny Boy Williamson (Rice Miller). Auch seine Bewunderung fuer Howlin’ Wolf ist deutlich hörbar, vor allem was seine Autorität innerhalb der Band angeht. Als Cotton im Jahre 1954 zur Muddy Waters Band stösst, hat er grosse Schuhe zu füllen: Little Walters elektrische Harmonika ist der moderne Massstab des Chicago Sounds geworden. Doch Cotton bringt es fertig seinen eigene Vorstellungen einzubringen: er ist kein Imitator, auch wenn er Klassiker spielt.

Nach 12 Jahren in Muddy’s Band ist es Zeit für die James Cotton Band. Ende der 60ger experimentiert er mit verschiedenen Rock Bands (Grateful Dead, Steve Miller, Janis Joplin, Led Zeppelin, etc.). Sein recht aggressiver Harp Sound wird elektrischer und grösser, seine Bühnen Präsenz noch gewaltiger. Cotton is his own man!

Was mich stets beeindruckt hat an diesem, auch körperlich, grossen Mann, waren seine langen Atemkurven, Schlangen von Sounds und Rhythmen – wann atmet denn der Kerl überhaupt? Ob schnell oder langsam gespielt, sein Ton war stets am Rand der Rückkoppelung: auf der einen Seite hoffnungsloser Verlust der Kontrolle, auf der andern Seite das etablierte Mittelmass.

Cotton war auch bekannt für sein immenses Repertoire von Blues Versen. Und wie das halt so ist mit dem Blues, es ist ja nicht Neues und dennoch müssen wir’s immer wieder anhören. Cotton erreichte diese Magie durch die lautstarke Manipulation der archaischen Sounds und Zugsrhythmen, verbunden mit seiner gewählten Aufgabe als Erzähler.

„I was born with the blues, and I don’t know nothing else but the blues,“ sagte er in einem Interview von 2013. Sein Spiel blieb getrieben von stampfenden Eisenbahnen und tropfenden Baumwollfeldern, sein Sound war stets dort wo es weh tut, dort wo man (auch ungewollt) hinhören muss.

 

 

Mr. Superharp James Cotton (1935-2017)

 2017, Ronny Kummer, Bern

Er war der letzte Überlebende der grossen Mundharmonikaspieler des Chicago Blues der Fünfzigerjahre. James Cotton, geboren am 1. Juli 1935 in Tunica, Mississippi, gestorben am 16. April 2017 in Austin, Texas.

Wenn Mundharmonikaspieler unter sich sind, diskutieren sie oft über das amtlich richtige Equipment. Mit welchem Mikrofon, mit welchem Verstärker, mit welcher Harmonika kommt man dem Chicago-Blues-Sound am nächsten, dem Sound von James Cotton und seinen Wegbegleitern und Rivalen Little Walter, Sonny Boy Williamson II und Big Walter Horton. James Cotton, noch mehr als alle anderen, gab seine Antwort auf der Bühne. Cotton klang immer wie Cotton. Unverwechselbar. Die Technik war ihm egal. Ob er nun mit einem Green-Bullet-Mik von Shure über seinen Fender-Bassman-Verstärker spielte – wie bei seinem legendären Auftritt mit Muddy Waters in New Port 1960 – oder irgendwo in einem Klub direkt über das Gesangsmikrofon der hauseigenen PA-Anlage: Cotton klang immer wie Cotton. Energisch, virtuos, emotional, spannend, mitreissend. Keiner wiederholte ein Riff über zwölf, vierundzwanzig, sechsunddreissig Takte wie James Cotton. Als Zuhörer wunderte man sich zuerst, dann staunte man und schliesslich brach jeweils die grosse Begeisterung aus.

Cotton beherrschte ein breites Spektrum: vom stupenden Delta-Blues über pumpenden Chicago-Shuffle und Jump Blues bis hin zu schnellen, rockigen Rhythmen wie in seiner knalligen Version von «Rocket 88». Vor seiner Kehlkopfoperation Anfang der Neunzigerjahre war Cotton auch ein mitreissender Sänger; erstmals zu hören Anfang der Fünfzigerjahre auf Aufnahmen der legendären Sun Records in Memphis. Dort, wo kurz darauf die Karrieren von Elvis Presley, Jerry Lee Lewis und Johnny Cash starteten.

James Cottons letztes Album «Cotton Mouth Man» erschien 2013. Die Credits lesen sich wie ein „Who’s who“ der Blues-Szene: Joe Bonamassa, Keb Mo, Warren Haynes, Gregg Allman, Delbert McClinton, Ruthie Foster und andere mehr. Cottons Harp tönt besser denn je. Auf dem Track «Bonnie Blue» ist er zudem als Erzähler zu hören. Mit rauher, belegter Stimme, bisweilen fast tonlos, erzählt er seine Geschichte, die Geschichte von Mr. Superharp, wie ihn die Blueswelt respektvoll nannte. Er erzählt von seinen Begegnungen mit Sonny Boy Williamson, seinen Jahren mit Muddy Waters, seinen Auftritten in der Carnegie Hall, im Fillmore East, im Fillmore West und auf der ganzen Welt.

Auf dem Titelstück dieses Albums singt Darrell Nulisch folgende wegweisende Zeilen:

«Fasten up your seat belt for a Mississippi jam, featuring the one and only Cotton Mouth Man.»

Am 16. März 2017 hat Mister Superharp seine Rocket 88 gestartet, ohne Sicherheitsgurten notabene, um fulminant in den Blues Heaven zu brausen. Muddy, Wolf, Walter und all die andern dürften seine Harp schon weitem gehört haben…

 

 

 

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