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TONY JOE WHITE – MEMORIES

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Martin Enderli (Martin Ender Lee), ein Roots Musiker aus der Schweiz und Andreas Werner, ein Schweizer Musiker, welcher in Nahsville und Muscle Shoals tätig ist, erinnern sich an Ihre Begegnungen mit Tony Joe White.

 

ANDREAS WERNER

Bei Andreas war das einige Tage vor seinem Tod, als sie zusammen im Studio arbeiten und auch Billy Swan , ein langjähriger Weggefährte von TJW, noch auftauchte. Dabei entstand wohl eines der letzten Bilder mit TJW.

Andreas hat mir für meine Sendung vom 5. November einige Fragen beantwortet. Die könnt ihr hier hören.

Welche Bedeutung hatte TJW für dich persönlich?

Welche Bedeutung hatte er für die Musik aus Muscle Shoals?

Du hast ihn kurz vor seinem Tod noch getroffen. Habt ihr zusammen Musik gemacht oder was war der Grund?

Welche sind deine Lieblingssongs von TJW?

Andreas Werner, Oktober 2018

https://www.crazychesterrecords.com

 

MARTIN ENDERLI

Martin Enderli ist seit langer Zeit ein Riesenfan von TJW. Er hat mir die Geschichte aufgeschrieben, wie es dazu kam.

Aufmerksam auf Tony Joe wurde ich durch die 3 Songs die Elvis von ihm in den 70-ern aufgenommen und mit Polk Salad Annie auch einen Welthit hatte. Seine Alben und Infos über ihn waren damals – in der Zeit vor Internet & Google- sehr schwer erhältlich – Home made ice cream von 73 war mein erstes Album von ihm. 1976 folgte „Eyes“ – da wurde er eher wie „Barry Joe White“ produziert, aber dennoch mit tollen Songs drauf. 1980 folgte „The real thang“ noch heute mein absolutes Lieblingsalbum.

Im Herbst 1981 im zarten Alter von 22 unternahm ich meine erste USA-Reise und bin mit einem Mietwagen in fast 3 Monaten von der West- an die Ostküste gefahren, natürlich durch die Südstaaten, New Orleans, dem Mississippi nach hinauf nach Memphis, mit einem Zwischenhalt in Oak Grove, Louisiana, wo Tony Joe aufwuchs. In der Town Hall hab ich mich nach ihm erkundigt und eine nette ältere Dame sagte mir, dass er schon seit einigen Jahren in Tennessee wohne und über einen Onkel besorgte sie mir seine Adresse. Hab ihn aber dann nicht heimgesucht, sondern ihm dann irgendwann von zuhause einen Brief geschrieben und eigentlich nur auf ein Autogramm gehofft. Ein paar Wochen später kam ein Paket, die Adresse von ihm selbst geschrieben (seit dem Album-Cover zu Home made ice cream kennt man ja seine Handschrift), mit seinem neuesten Album „Dangerous“ samt Widmung, Autogrammkarte und persönlicher Note „Dear Martin-thank you for the letter and for digging the music-good luck with the Band-be well-Tony Joe White“. Damals nahm ich mit meiner Band ROUGH CUT unsere erste Single „Living in the River City“ einer Single-B-Seite von Tony Joe’s Dangerous-Album auf. Danach hielt ich regelmässigen Kontakt mit seiner Tochter Michelle, die seinen Fan-Club betreute und 3 – 4 Mal im Jahr einen Newsletter verschickte. 1989 durfte ich sie zuhause, ausserhalb von Franklin, besuchen und gerade zu dieser Zeit weilte Tony Joe mit Tina Turner im Studio, glaube in L.A., wo sie die 4 Songs u.a. Steamy Windows für ihr Foreign Affairs-Album einspielten.

Persönlich kennengelernt habe ich ihn erst 2006 anlässlich eines Auftritts in der Gibson Factory in Memphis (ich wohnte 2005 – 2007 in Horn Lake, MS, unweit südlich von Memphis und betrieb einen Schallplattenladen).

Am 15.11.2008 gelang es mir, für ihn während seiner Europa-Tour, im Route 66 in Hinwil, einen Auftritt zu organisieren (tags darauf spielte er übrigens in der Mühle Hunziken) -nachdem sich kein Veranstalter interessiert gezeigt hatte oder er nicht ins „musikalische Konzept“ gepasst hatte, blieb mir nichts Anderes übrig, als alles auf eigene Verantwortung und Kosten auf die Beine zu stellen. Zum Glück hatte es sich gelohnt, das Haus war bis auf den letzten Stehplatz gefüllt, es kamen Fans aus der Westschweiz, Tessin, Italien und aus dem süddeutschen Raum (wir hätten sogar eine Zusatz-Show anhängen können, weil wir Besucher leider wegweisen mussten). Mit meiner damaligen Band CROSSROAD durften wir das Vorprogramm spielen (selbstverständlich ohne Tony Joe-Songs!). Tony Joe hatte es sich seit Jahren zur Gewohnheit gemacht, regelmässig 1-2 Stunden vor seinem Auftritt in der Garderobe abzuhängen, 2 – 3 Gläser Rotwein (Wolf Blass Cabernet aus Australien war sein bevorzugter Wein) zu geniessen und so in die richtige Stimmung zu kommen. Anlässlich eines kleinen meet & greet nach der Show war er der perfekte Southern Gentleman (sonst natürlich auch!) – jedesmal wenn eine Frau den Raum betrat erhob er sich. Als alle weg waren hatte er seine Salami-Pizza mit mir geteilt, wir haben ein paar Bier getrunken und über Gott und die Welt geplaudert. Er hat sich auch sehr für mich interessiert, was ich in meinem Leben so mache, wie es läuft mit der Band, ob ich auch eigene Songs schreibe etc. etc., er wollte Dingen immer auf den Grund gehen und alles genau wissen, no-bullshit – mit ihm gab es kein small talk und … er hatte einen sehr gesunden und trockenen Humor.

Auf andere Leute mochte er zuweilen etwas schroff oder gar abweisend wirken, aber ich weiss, dass dies reiner Selbstschutz war. Er fühlte sich in grossen Menschenmengen sehr unwohl und den Rummel um seine Person konnte er gar nicht abhaben. Dass er mal auf einer Sandy Beaches Cruise hätte dabeisein können, stand ausser Frage, das war gar nicht sein Ding. Auch wenn er mit Waylon Jennings auf Tour war, hat er das 2 Wochen mitgemacht, aber danach war Schluss und er wollte wieder nach Hause – auf seine Art war er ein „free spirit“ und auch (manchmal) ein Einzelgänger. 

 

2014 ergab sich dann die Chance, in seinem Studio in Franklin, TN, unser neues Album „… and on to Nashville“ aufzunehmen. Dies hatte ich alles mit seinem Sohn Jody aufgegleist (er macht ja den ganzen administrativen Kram, Management, Verträge etc. – mit sowas wollte sich Tony Joe nie rumschlagen), der mir sogleich auch seines Dads Schlagzeuger Bryan Owings (Delbert, Emmylou Harris, Buddy Miller u.v.m) und den jungen talentierten Toningenieur Ryan McFadden „mitvermietete“. Die ganze Session war magisch und ein einmaliges Erlebnis (das wir nur 3 Jahre später für „Old school prick“ nochmals wiederholen durften). Am zweitletzten Aufnahmetag kam Ryan und sagte mir, Tony Joe habe angerufen, ob er bei 1 – 2 Songs mitspielen „dürfe“ – da erlitt ich beinahe einen Herzinfarkt, weil: ich hätte mich nie und nimmer getraut, ihn zu fragen, ob er da für so eine kleine Produktion mit einem No-name aus der Schweiz, etwas beisteuern würde. Am morgen des Ostersonntags kam er dann um die Ecke geschlendert und nach einer herzlichen Begrüssung fragte er mich (!), bei welchen Songs ich möchte, dass er mitspielt „your choice, sir“ war meine Antwort „but I already know which songs you gonna pick“. Die zwei Kompositionen von ihm, die er selbst aber nie herausbrachte, sondern für Emmylou Harris (High powered love) und Tina Turner (On silent wings) geschrieben hatte. Er ging rein, hörte sich die playbacks ein paarmal an und spielte dann seine typischen, klassischen swampy licks ein (wir andern warteten aber draussen, haben aber wie Schuljungs an der Türe gelauscht!) … and that was it & I was over the moon!. Danach tranken wir ein Bier, er entschuldigte sich, weil er zuhause noch Gäste erwartete, drehte sich nochmals um und meinte mit seinem typischen schiefen Grinsen „this is goin‘ to ruin your career“ – und weg war er. 

Und dann noch zu deiner letzten, sehr schwierigen Frage: meine absoluten Lieblingssongs von Tony Joe; könnte eine ganze Stange aufzählen, aber am meisten ans Herz gewachsen sind mir Louisiana Rain (vom Lake Placid Blues-album 1995) und Nothing I would not do for you (vom Snakey-Album 2002) – einer der schönsten Lovesongs den er geschrieben hat.

Martin Enderli, Oktober 2018
Martin Enderli hat mir noch eine Videodokumentation von Tony Joe White geschickt. Sie entstand in den 1990er Jahren in seinem Keller in High Point Ridge. Die Qualität ist nicht 1a. Aber, was solls? Ein echtes Zeitdokument.

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