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CD-Tipps

ANDY TRINKLER

ANDY TRINKLER – DRIVE ON

«Country und Americana ist einfach jene Musik, die aus mir herauskommt», sagt Liedermacher Andy Trinkler. «Ich kann nicht anders.»

Iris Andermatt

Kein Mann der grossen Worte. Seit 25 Jahren steht dieser Satz über Andy Trinkler in den Zeitungen. «Stange Panaché», sagt er jetzt, setzt sich hin und schweigt erst mal.

Das Restaurant Brunnhof im Berner Mattequartier ist eine typische, alteingesessene Quartierbeiz. Auf den Tischen steht eine Menage mit bemalten Eiern und einer Dose Aromat. An der Wand hängt eine Schiefertafel mit Weinempfehlungen.

Das Brunnhöfli ist eine von Andy Trinklers Stammkneipen, weil sein Bandraum gleich um die Ecke liegt. Dort wird er nach dem Gespräch mit seinen Bandkollegen Mich Schärer, Ndu Wyss, Stöffu Vogtund Ursi Moser proben gehen. Vorher aber muss er erzählen. Über sein Leben und davon, wie es ist, seit über dreissig Jahren Musik zu machen, die immer nur ein Nischenpublikum anspricht: Country und Americana.

«Es ist jene Musik, die aus mir herauskommt», sagt der 55-Jährige. Nur so könne er die Geschichten erzählen, die er glaube, erzählen zu müssen.

Klar, gab es eine Sehnsucht nach den USA. Und ja, er war bis heute elfmal dort, weil seine Schwester in Oregon lebt. Aber all das erklärt es nicht ganz. «Ich weiss nur, dass ich Ende der 1970er-Jahre ‹Take it easy› von den Eagles im Radio gehört habe und nur noch diese Musik machen wollte.»

Wenig später meldete er sich für eine Gitarrenstunde in der Migros-Klubschule an. «Meine erste Lektion hatte ich an einem Montagabend im April 1980. Danach gründete ich gleich eine Band», sagt er. Erste Konzerte hatte er im Thuner Jugendclub, dem heutigen Mokka.

«Jedes Album war immer wieder durchdrungen von der Suche nach etwas. Mit dem letzten suche ich nicht mehr. Jetzt bin ich einfach nur noch unterwegs.»

Andy Trinkler ist eine seltsame Berner Erscheinung. Wenn man sich in der Musikszene umhört, scheint ihn jeder zu kennen. Er wird als hervorragender Liedermacher bezeichnet. Seine Musik stehe für Beständigkeit, heisst es, sein Stil sei zur Marke geworden.

Der grosse Durchbruch blieb zwar aus, der Erfolg ist überschaubar, wie er sagt. Und doch standen die Leute etwa im ehemaligen Berner Jetläg bis auf die Strasse hinaus Schlange, und er war in verschiedenen Formationen immer wieder gern gesehener Gast an Rock- und Countryfestivals.

Jetzt hat Andy Trinkler sein achtes Album veröffentlicht. Es heisst «Drive On». Am Freitag tauft er esmit der Band Border Affair in der Berner Mahogany Hall.

Wieder wird das Konzert gut besucht sein, und wieder werden seine Fans von seinen eigenen Texten schwärmen und dem schnörkellosen, nachdenklichen und kraftvollen Sound, der mithalten kann mit jenen amerikanischen Vorbildern wie den Eagles, Jackson Browne oder James McMurtry. Und wieder wird er wohl insgesamt rund 300 Stück seines Albums verkaufen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

«Jedes Album war immer wieder durchdrungen von der Suche nach etwas», sagt er, nimmt einen Schluck Bier und grinst: «Mit dem letzten Album suche ich nicht mehr. Jetzt bin ich einfach nur noch unterwegs.»

Unterwegssein ist Andy Trinklers Lebensthema. Zehn Wohnorte hatte er. «On the Road» war er, wie er sagt. Hatte immer eine Unruhe und Neugier in sich gespürt. In Köniz ist er aufgewachsen, hat etwa im Bündnerland gelebt, im Emmental, im Mittelland, im Seeland. Jetzt wohnt er seit zwölf Jahren in Rüschegg. Er war 15 Jahre verheiratet. Kinder waren nie ein Thema.

«Der Lokführer hat nichts mehr mit dem Musiker zu tun.»

Auch beruflich sah es nicht anders aus. Er lernte Sanitärzeichner, fuhr später aber LKW für einenGemüselieferanten. Da musste er morgens früh raus und hatte nachmittags frei. «Das passte gut», sagt er. «Da war ich gerade ein junger, aufstrebender, erfolgloser Musiker und nutzte die freie Zeit für meine Musik.» Später wurde er Lokführer. Zuerst bei den SBB, dann bei der BLS.

Wie naheliegend es auch scheinen mag. Von den Klischees vom einsamen Mann im Führerstand, der Countrylieder singt, will er nichts wissen. «Anfangs, als ich noch mit Güterzügen fuhr, ja, da gab es viel Wartezeit. Etwa wenn man auf Ware aus Italien warten musste», sagt er. «Da sind einige Geschichten und Songideen entstanden. Aber das war früher.» Der Lokführer habe nichts mehr mit dem Musiker zu tun. «Heute schreibe ich meine Lieder ganz langweilig in meinem Musikzimmer.»

Am Anfang war in seinen Liedern stets die Sehnsucht nach Freiheit und Kompromisslosigkeit zu hören. Auf dem neusten Werk sind seine Texte vor allem Geschichten über das alltägliche, ja vielleicht auch gewöhnliche Leben. Lieder, die manchmal nur von Andeutungen leben. Etwa in «TheyDon’t Know Anything», das eine feine Beschreibung eines Näherkommens an einer Party ist, nachdem die Gäste sich schlafen gelegt haben.

Das Ziehen und die Unruhe scheinen weg. Trinkler ist heute näher bei sich, wie er sagt. Album für Album haben sich einige wichtige Lebensfragen geklärt. «Zum Beispiel weiss ich heute, dass ich nicht in den USA leben muss, dass es gut ist, so wie es ist hier.» Vielleicht ist der Traum von Amerika ja in seine rund 200 Songs geflossen und hat dort seine Erfüllung gefunden. «Ja. Das ist gut möglich», sagt er und schweigt. (aus www.bernerzeitung.ch)

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