RAY DAVIES
RAY DAVIES / OUR COUNTRY: AMERICANA ACT 2
Nach dem Album „Americana“ von 2017 legt Ray Davies mit Our Country (Americana Act II)einen zweiten Teil seiner (lebenslangen) Entdeckungstour durch Amerika in Liedern vor. „Mit ‚Our Country‘ lasse ich meine Reisen durch Amerika Revue passieren, die schier endlosen Tourneen mit unserer Band. Es geht aber weniger darum, die Karriere der Kinks aufzuarbeiten, als darum, das Land, das mich schon sehr früh inspirierte, neu zu entdecken“, preist der 73-jährige sein neues Opus an. Die Songs hat er sich selbst auf dem Leib geschrieben, sie sind sehr persönlich, reflektieren seine Erinnerungen und haben an sich nur recht wenig mit dem britischen Background des Sängers gemein. Vielmehr sind sie auch musikalisch verwurzelt in dem Land, das Davies so sehr prägte und inspirierte. Die Geschichten, die er erzählt, ohnehin.
Die 19 neu aufgenommenen Songs sind sehr countryorientiert, ein roter Faden, der sich durch das ganze Album zieht und verknüpft wird mit zahlreichen Facetten des modernen Rock und Pop, inspiriert von Davies‘ 50-jähriger Musikerkarriere, deren Phasen er hier natürlich zitiert und die ihn als großartigen Songschreiber ausweisen. Sogar eine neue Version des Kinks-Klassikers „Oklahoma USA“ (aus dem Jahr 1971) fand den Weg auf die Scheibe, sowie eine Neuinterpretation von „The Real World“ (aus dem 2007er Soloalbum).
Der eingängige Opener „Our Country“ nimmt das musikalische Thema von „Americana“ aus dem vergangenen Jahr auf und setzt es fort. Der leichte Countrysong öffnet sich mit einem vielstimmigen Background-Chor, erinnert zeitweise an Neil Young. Er ist wohl eines der besten Stücke des Albums. Ebenso „The Getaway“, eine Nummer, die Davies bereits 2006 schon einmal veröffentlicht hat und mit dem Ausspruch beginnt: „Amerika, das Land von Eiskrem und Apfelkuchen, Waffen und dem wilden Westen“. Sicherlich eine Phrase, oder schon ein Vorurteil? Die Worte zeigen allerdings deutlich das Zerwürfnis, die innere Zerrissenheit von Ray Davies zu diesem Land, das ihn als Person und Künstler so sehr prägte. Im Gespräch sagte er das kürzlich etwas diplomatischer: „Ich hoffe, dass sich Amerika ausbalanciert. Es ist momentan etwas unpassend.“ Und spielt dabei auf Trump an.
Immer noch fühlt sich Davies in den USA als „Eindringling“. In „The Invaders“ reist er zurück in seine Kindheit, als er ruckelnde schwarz-weiß-Filme von Cowboys und Indianern sah, und wie das Gute über das Böse siegte. Das prägte sein frühes Bild über Amerika. Andererseits: Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in den 1960er Jahren durften die Kinks nicht in den USA auf Tour gehen, als es ihnen dann später wieder erlaubt wurde, setzten sie zu einem Siegeszug an, den Davies im Lied folgendermaßen umschreibt: „Das Unglaubliche ist passiert, die Eindringlinge sind gelandet. Die britische Pop-Invasion ist angekommen … die Welt, wie wir sie kannten, ist auf den Kopf gestellt. Die Dinge werden nie wieder dieselben sein, seit dem Tag, als die Eindringlinge kamen.“
Wieder mit dabei sind die Musiker der Jayhawks, auf deren Musikalität sich Davies schon auf „Americana“ verlassen hat. „Der Grund, warum ich sie ausgewählt habe, ist, dass sie die Songs einfach spielen, ohne sie allzuviel zu verschönern. Es sei denn ich frage sie. Das ist großartig“, schwärmt er über die Zusammenarbeit im Studio. Die Musiker umweben die auch mit 73 Lebensjahren immer noch charakteristische und eindringliche Gesangsstimme Ray Davies‘ mit unaufdringlichem Spiel, können aber in Solopassagen auch ordentlich „Gas“ geben und dem Sounddruck verleihen. Und man sollte es kaum glauben, aber es ist wahr: Diese Scheibe von, mit und über die persönlichen Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken des Kinks-Masterminds von seinen Reisen durch das „Land Gottes“ ist wiederum in England, im legendären Konk Studio, entstanden, dort wo einst auch die Kinks ihre frühen Werke aufnahmen.
Noch drei Anspieltipps: Die emotionale Countryballade „The Big Guy“, das unbekümmerte „Bringing Up Baby“ und das folk-bluesige „Louisiana Sky“. Das Album „Our Country (Americana Act II)“ ist nicht nur eine Reise des Künstlers über die Jahre quer durch das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, es widerspiegelt auch musikalisch die gesamte Spektrum ureigener nordamerikanischer Musikströmungen, von Country bis Americana, von Bluegrass bis Blues, verwoben mit den britischen Wurzeln des Ray Davies, bis hin zu den Kinks. Ein kurzweiliges, abwechslungsreiches und sogar ein wenig geschichtsträchtiges Album. Immer wieder hörenswert! Zum Nachlesen: Das umfangreiche Booklet enthält wieder sämtlich Songtexte, aber leider keinerlei fortführende Informationen.
Das persönliche Fazit des Ray Davies: „Amerika ist ein wunderschöner Ort, aber auch ein gefährlicher Ort, wie ich herausgefunden habe.“ (aus www.country.de)