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BRUCE SPRINGSTEEN

BRUCE SPRINGSTEEN / TIES THAT BIND: RIVER COLLECTION

Mit den Alben „Born To Run“ und „Darkness On The Edge Of Town“ wurde Bruce Springsteen Mitte der Siebzigerjahre tatsächlich so berühmt, wie er es sich immer erträumt hatte – aber danach wusste er nicht weiter. Er kaufte sich eine große Farm in New Jersey und grübelte dort in aller Abgeschiedenheit über den Sinn des Lebens nach.

Trotz aller Triumphe hatte er den Verdacht, dass sein Ruhm schnell wieder vorüber sein könnte. Dazu kamen die Rezession und die Erkenntnis, dass die Balance zwischen Euphorie und Absturz oft schwer fällt. Als sein Schwager den Job verlor und die Familie seiner Schwester finanziell in Schwierigkeiten geriet, schrieb Bruce Springsteen den Song „The River“. Dann machte er sich noch an eine Nummer für The Ramones, um die ihn deren Sänger Joey Ramone gebeten hatte.

Aber nachdem er „Hungry Heart“ für die Punkrocker fertiggestellt hatte bekniete ihn sein Manager Jon Landau, den eingängigen Song, der später Springsteens erster großer Single-Hit werden sollte, bitte zu behalten. Das Album, das der Mann, den sie schon damals „Boss“ nannten, im Herbst 1979 bei seiner Plattenfirma ablieferte, hieß „The Ties That Bind“, enthielt beide genannten Nummern sowie acht weitere Songs – und machte den Künstler nicht glücklich.

So zog er die Platte kurz nach der Abgabe wieder zurück und verschanzte sich für beinahe ein weiteres Jahr im Studio. Mit dem Doppelalbum „The River“ meldete sich Bruce Springsteen schließlich zurück im Rampenlicht – einer drastisch überarbeiteten und erweiterten Version von „The Ties That Bind“. Das ursprüngliche Album sei ihm nicht „groß“ genug gewesen, sagte er jüngst in einem Interview: Es hätten ihm „Farben“ gefehlt und „funky“ sei es schon gar nicht gewesen. Ja, er mochte nicht mal den Klang und die Produktion und suchte stattdessen nach einem Weg, die Euphorie seiner Konzerte mit der E-Street Band im Studio aufleben zu lassen.

Ein Talent für hymnisch eingängige Melodien

Bruce Springsteen war nie ein Autor, dem Liebeslieder reichten. Früh schon wollte er seinen Alltag vertonen und beschäftigte sich lieber mit der Working Class, die ihn so erschreckte wie faszinierte. Bevorzugt schrieb Springsteen Texte über Männer, denen das Leben ein Bein gestellt hat; denen Job und Mädchen abhandengekommen sind und die trotzdem immer wieder aufstehen.

Es half, das Springsteen, der das Radio mal als „wahre Schule“ seines Lebens bezeichnete, ein Talent für hymnisch eingängige Melodien hat. Der Sound, den er sich immer schon gewünscht habe, sei ihm erstmals bei „The River“ gelungen, erinnerte er sich später.

Zum 35-jährigen Jubiläum des Doppelalbums erscheint nun das üppig aufgeplusterte Deluxe-Set „The Ties That Bind – The River Collection“. Über die Distanz von vier CDs und drei DVDs werden da die Originalaufnahmen um Ungehörtes sowie eine neue Dokumentation und eine gefilmte Show von 1980 erweitert. Erstmals ist da das legendenumwehte „The Ties That Bind“-Album zu hören (das illegal schon länger die Runden machte) und das schon deshalb spannend ist, weil es viele bekannte Songs in alternativen Versionen bietet.

Einige der 22 „Raritäten“, also ungenutzten Songs, sind hartgesotteneren Fans allerdings längst bekannt, da sie vor Jahren in der Archiv-Sammlung „Tracks“ präsentiert wurden. Was bedauerlich ist, da man weiß, dass noch viele unveröffentlichte Songs aus jenen Sessions im Archiv Staub fangen. Hübsch, in dem ohnehin schick aufgemachten Set, ist ein Faksimile von Springsteens Songnotizbuch aus jenen Jahren. Menschen, die sich gerne sehr viele Boss-Bilder anschauen, sind mit dem beigepackten Coffee-Table Buch gut bedient.

Auch wenn einige der Raritäten nicht ganz so rar sind, bietet diese Archivausgabe einen eindrucksvollen Beleg dafür, was für geglückte Songs der Künstler damals liegen ließ. Manche Entscheidungen gegen Songs könne er heute selbst kaum noch nachvollziehen, sagte Springsteen kürzlich.

Mit „The River“ fand Bruce Springsteen jedenfalls endgültig zu sich. Es folgten das düstere Werk „Nebraska“ und vier Jahre später der endgültige Weltruhm mit „Born in the USA“. Die CD-Boxen dazu werden vermutlich längst vorbereitet.

(aus Spiegel.de/kultur)

 

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