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CD-Tipps

GILLIAN WELCH

GILLIAN WELCH – BOOTS NO. 1: THE OFFICIAL REVIVAL BOOTLEG

Es gibt Künstler, die haben diesen einen historischen Moment, indem sie etwas Neues schaffen, dann verflüchtigt sich der Moment. Sie spielen zwar weiter Musik, aber immer werden sie in Beziehung zu diesem Moment gesetzt. Wenigen Ausnahmekünstlern ist es vorbehalten, mehrere historische Momente zu schaffen. Gillian Welch hat zwei historische Momente gehabt. Der erste war, als vor 20 Jahren das Album „Revival“ erschien und Alternative Country und Americana nicht mehr so waren wie vorher. Aus Anlass des Album-Jubiläums hat sie nun mit ihrem Partner David Rawlings Boots No. 1: The Official Bootleg Revival veröffentlicht.

Zwei musikhistorische Momente

Gillian schaffte es auf „Revival“ – genial produziert von T Bone Burnett – einen spartanischen und dunklen Stil zu kreieren, der Elemente der Appalachenmusik mit Bluegrass und Americana verband. Ihre Musik erschien damit besonders ursprünglich und nah an traditionellen Folkstilen. So kam es zum zweiten frühen Höhepunkt und historischen Moment ihrer Karriere: In den Aufnahmen zum legendären Soundtrack des Coen-Brüder-Films „O Brother Where Art Thou?“ aus dem Jahr 2000 spielte sie eine zentrale Rolle. Wieder setzte sie T-Bone Burnett hier in großartiger Weise ein. So sang sie mit Allison Krauss eine wunderschöne Fassung von „I’ll Fly Away“, schrieb mit Burnett zusätzliche Verse für „Didn’t Leave Nobody But The Baby“, das sie zusammen mit Emmylou Harris und Allsion Krauss sang. Und sie agierte als Co-Produzentin des Soundtracks.

Alles was danach kam waren Zugaben. Auf hohem Niveau, aber ohne diese überbordende Faszination des Neuen. Seit einigen Jahren ist sie auch ein Großteil ihrer Zeit mit dem Solo-Projekt von Rawlings, der „David Rawlings Machine“ auf Tour. Sie ist immer noch ein gefragter und faszinierender Live-Act.

Der künstlerische Entstehungsprozess zum mithören

Das von Gillian Welch und David Rawlings produzierte „Revival-Bootleg“ ist mehr als eine wohlfeile Reminiszenz an einen künstlerischen Durchbruch. Es ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es – wenn sorgfältig editiert und produziert – durchaus Sinn macht, Demos, Alternativversionen und Outtakes eines Albums zu veröffentlichen. Denn im besten Fall – und das ist hier so – kann man einen künstlerischen Prozess mit offenen Ohren und großem Staunen verfolgen.

Denn man hört ein Album nicht dem Ergebnis nach, sondern man hört den Weg von den musikalischen Ideen bis zum Album. Das ist bei Gillian Welch besonders faszinierend. Auch die Demo und die Alternate Version von „Orphan Girl“, ihrem „Signature Song“, sind absolut überzeugend. Der ungeschützte, spröde, verletzlich-zarte Vortrag klingt wirklich wie aus der vielbesungenen „cabin on the hill“. Zwei weitere faszinierende Performances eines großartigen Songs.

Faszinierendes Dokument jüngerer Americana-Geschichte

Wenn man diesen Weg zum Album abhört, dann beginnt man natürlich zu überlegen, warum ist dieser oder jener Song nicht auf das Album gekommen. Hier sind es natürlich „Old Time Religion“ und „Georgia Road“, die diese Outtake-Charts anführen. Wobei natürlich der Erfolg von „Revival“ Gilian Welch und T-Bone Burnett in ihrer Songauswahl Recht gegeben hat. Doch auch wenn das fertige Album rund war, hätten die genannten Songs für die Platte durchaus noch weitere Pluspunkte dargestellt.

Fazit: Gute und musikhistorisch verdienstvolle Idee von Gillian Welch und David Rawlings. Wunderschön zu hören. Prädikat: Ein faszinierendes Dokument jüngerer Americana-Geschichte! (aus country.de)

Hörprobe und Bestellen

http://www.cede.ch/go/?m=music&id=1366460&lang=de&pid=1268