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CD-Tipps

POLO HOFER

POLO HOFER / ÄNDSPURT

Den «Ändspurt» hat er hinter sich, aber ist der Marathonmann des Mundartrock schon am Ziel angekommen? Polo Hofer, Sänger, Texter, Bandleader im Ruhestand, Entertainer, Witzerzähler und Chronist der laufenden Ereignisse will kürzertreten. Allerdings ist er nach seinem vermeintlich «letzten» Konzert im vergangenen Oktober zum Jahresbeginn 2016 bereits wieder mit seinem alten Mitstreiter Hanery Amman auf der Bühne gestanden.

Kürzlich hat ihn das Schweizer Fernsehen mit einer Samstagabend-Show geehrt, und das TV-Publikum hat ihn als «Schweizer des Jahres» gewählt. Es scheint, als wollten weder Polo noch seine Fans die oft verkündete Ruhe zulassen.

Rechtzeitig zum TV-Spektakel folgte auch das Album «Ändspurt» – mit einiger Verspätung und nach dem Ende der gleichnamigen Tournee. Doch Eile war nie Polos Ding. Probleme sass er aus, bis sich von selber eine Lösung ergab. Ob auch das neue Album ein Problem war? Ein Hauch von Vergänglichkeit zieht jedenfalls leise durch dieses Spätwerk, auch wenn ihr der Sänger nicht allzu viel Platz lässt und instinktiv die Lebensfreude beschwört.

Im Opener «Bald wird alles anders» spürt er den Herbst kommen und einen zügigen Wind blasen – doch schon meldet sich der Frühling zurück, und Polo freut sich auf die nächste Chilbi. «Ändspurt» ist ein Album, das mit den Jahreszeiten und dem Lebenszyklus geht.

So interpretiert der Rocker mit «E gschänkte Tag» ein Lied des Jodelmusikers Adolf Stähli: «Wenn dr Himmel voller Wulche steit/git es Tage, wo di nüt me ­fröit/De vergiss im Läbe nie/dass alli Wulke witer zieh.» Mit dem Schwyzerörgelispieler Dänu Thürler hat Hofer einen neuen Impulsgeber engagiert, dazu jubiliert hie und da die Klarinette von Wege Wüthrich. So bodenständig und nah bei der Volksmusik war Polo noch nie.

Da tönen andere Songs mit Americana-Rock und E-Street-Groove weniger überzeugend. Um sich gegen eine unter Strom stehende Rockband durchzusetzen, ist die Stimme des Sängers heute zu verletzlich. Das eröffnet ihr aber auch neue Möglichkeiten: Polo, dessen Herz immer für die schwarze Musik schlug, weiss, dass gute Songs direkt aus der Seele kommen. Als Profi musste diese Erkenntnis oft dem Geschäftssinn weichen – stattdessen bediente er die verschiedensten Zielgruppen von den Hanfanbauern bis zu den Bernhardinerzüchtern.

Jetzt lässt er häufiger Momente der Nachdenklichkeit zu. Etwa in seiner Mary-Gauthier-Adap­tion «Dä wo trinkt», wo es um Probleme mit dem Vater und den Alkohol geht – Themen, die Polo Hofer vertraut sind. Oder im gospelnden Epilog «Sing es Gebät», auf dem – wie auch anderswo – die Pianistin und Sängerin Marianna Polistena eine wichtige Rolle spielt: «I weiss, ds Läbe isch keis Wunschkonzärt, ha probiert, im Fyschtere heiter z’sy», zieht der Musiker erstaunlich offen Bilanz.

«Ändspurt» ist kein Polo-Klassiker, dafür gibt es hier zu viele Wiederveröffentlichungen von bereits greifbarem Material und dazu fehlt es bisweilen an Dringlichkeit. Aber wenn er will, dann kann Polo Hofer berühren wie noch nie und beschwingen wie eh und je.

Wer ausser ihm schafft es schon, einen lässig schunkelnden Song über «Hamme u Härdöpfelsalat» anzustimmen, der einen dann nicht mehr aus den Ohren will? «Es git, was es git, und es het, solang’s het», singt Polo Hofer dort. Was will man mehr.

(von Samuel Mumenthaler, Berner Zeitung)

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