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CD-Tipps

STEVE HOPHEAD

Einsame-Wölfe-Sound aus Frutigen

Das Debütalbum von Steve Hopühead tönt wie der Soundtrack zu einem amerikanischen Roadmovie auf einer kurvenreichen Schweizer Bergstrasse.

Zuerst fällt der Blick auf das menschenleere Plattencover: Der Himmel hängt dunkel und schwer über einer Krete, das gebirgige Gelände ist kahl und steinig. Nur wenige Baumsträucher klammern sich da oben ans Leben. Ähnlich gottverlassen wie auf diesem Bild aus den Frutiger Bergen muss es an der legendären «Crossroad» im Mississippi-Delta ausgesehen haben, wo einst der Gitarrist Robert Johnson dem Teufel seine Seele verkauft haben soll und wo der Blues herkommt. Eine Musik, die Steve Hophead alias Stephan Imobersteg schon seit seinen Teenagerjahren fasziniert. Karg und ausdrucksstark: So wie das Coverbild des Fotografen Reto Camenisch aussieht, so tönt die Musik von Steve Hophead.

Eine Stimme als Türöffner

Der 46-jährige Sänger, Songwriter und Gitarrist aus Frutigen ist kein Neuling im Musikgeschäft. Während seiner Jugendjahre war er erfolgreich mit der Oberländer Rockband Mild in Taste unterwegs. Dann begannen Stephan Imoberstegs Wanderjahre. Er war mehrmals auf «Musikreise» in den USA und suchte nach der Urquelle des Blues und der Seele des Südstaaten-Sounds. Einige Zeit war er in der Folge solo unterwegs: mit akustischer Gitarre, Mundharmonika und einer rauen, ausdrucksstarken Stimme, die ihm immer wieder Türen öffnete – obwohl er ursprünglich gar nicht singen wollte.

Seine Reisen führten Imobersteg nach Berlin und zu Experimenten mit elektronischer Musik. Zurück in der Schweiz wohnte er zunächst in Bern, das ihm nach dem Aufenthalt in der Metropole «wie ein Dorf» vorkam. So kehrte Imobersteg heim in die Berge. Hier fand er einen Job, gründete eine Familie – und versuchte weiterhin, im Musikgeschäft Fuss zu fassen. Steve Hophead (der Name kommt von einer Mütze mit Hopfenmuster, die der Sänger gern trägt) ist die Frucht eines Wettbewerbs. Stephan Imobersteg hatte sich für die internationale «Blues Challenge» angemeldet, bei der für die Finalisten ein Auftritt in Memphis lockt. Dort wurde ihm beschieden, er könne sich nur zusammen mit einer Band bewerben. So kontaktierte der ambitionierte Songschreiber seinen Facebook-Freund Stuwi Aebersold, den man als Saitenderwisch in Bands wie Phon Roll, Ray Wilko und Taco kennt. Aebersold hat sich mittlerweile auf die mit einem Stahlblock gespielte Lap-Steel-Gitarre spezialisiert, die man von der Hawaii- und der Countrymusik kennt (und die im Berner Volksmund «Träneschyt» genannt wurde).

Aus dem Oberland kamen Imoberstegs alter Freund Orlando Demont an einer weiteren Gitarre sowie die Rhythm-Section mit Bassist Benjamin Meichtry und Drummer Florian Hauri dazu. Am besagten Wettbewerb landete die extra gegründete Band zwar nur auf dem undankbaren zweiten Platz. Doch der Funke war gesprungen. «Wir harmonieren gut», meint Imobersteg. Man trotzte den Zersetzungskräften von Corona und spielte ein Album mit zehn Songs aus Imoberstegs Feder ein. Es fällt auf, weil es anders ist.

Die Band hat ihr Debüt mehr oder weniger live eingespielt. Ein weiser Entscheid. «Perfektion steht bei mir nicht zuoberst», sagt Imobersteg. Musik, wie er sie möge, lebe von Direktheit und Zusammenspiel. Dass man die Platte im Berner Oberland im Studio des früheren Plüsch-Keyboarders Andreas Hunziker auf einer alten Bandmaschine des verstorbenen Hanery Amman aufgenommen hat, hat den Songs noch mehr Seele gegeben.

Sie sind zwar tief verwurzelt in der amerikanischen Musik und erinnern an den Einsame-Wölfe-Sound von Calvin Russell, Warren Zevon oder Lee Clayton, mit einem Schuss Irish Folk. Dass diese Musik aus den Schweizer Bergen kommt, hört man trotzdem – und das ist gut so.

Imoberstegs Texte sind wortkarg und präzis platziert. Statt ausufernde Storys zu erzählen, lassen sie Stimmungen und einzelne Momente aufscheinen, welche das Leben des Songwriters geprägt haben. Die Gitarren krachen schwer auf das Fundament von Bass und Schlagzeug, dazu öffnet Aebersolds Lap-Steel das Treppenhaus zum Himmel. Das ist Musik wie aus einem Soundtrack zu einem amerikanischen Roadmovie. Bloss dass es hier wie im Berner Oberland immer wieder Kurven hat, die nach Entschleunigung verlangen.

Die amerikanische Musik hat Stephan Imobersteg schon in seiner Kindheit an den legendären Singer-Songwriter-Festivals in Frutigen kennen gelernt und verinnerlicht. Nun hat er sie mit seinen eigenen Wurzeln zusammengebracht. So entsteht ein eigener Frutigen-Texas-Sound aus Charakter-Songs, die nicht einfach nur gefallen wollen – eine Art Slow Food für Liebhaberinnen von handgemachter Rockmusik.

von Samuel Mumenthaler (Der Bund)

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