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CD-Tipps

VAN MORRISON

VAN MORRISON / THREE CHORDS AND THE TRUTH

 

Van Morrison hat mit „Three Chords and the Truth“ sein sechstes Album in vier Jahren veröffentlicht. Drei Akkorde und die Wahrheit – das klingt zunächst nach der Zuschreibung an einen ‚klassischen‘ Singer-Songwriter wie Bob Dylan, Lou Reed, Leonard Cohen oder Neil Young. Auch Van Morrison erhebt damit – gewohnt selbstbewusst – den Anspruch auf typische Songwriter-Essenzen. Der Nachfolger seines zuletzt erschienenen Longplayers „The Prophet Speaks“ von 2018 wird von „March Winds in February“ eröffnet. Der Song beginnt mit einem vorsichtig rollenden Besen-Rhythmus, bluesiger E-Gitarre, und einer unangenehm präsenten, durchgängiger Triangel (die sich ab der Mitte des Stücks besser einbettet). Darüber thront in der Mitte leicht verhallt Van Morrisons Gesang. Die rhythmischen Breaks und Betonungen im Stück funktionieren gut, die bluesige Komposition erscheint ebenfalls reizvoll. Eine Konzertgitarre wirft halb motiviert Melodien über den Gesang ein – das will nicht ganz zusammenlaufen; steht sich gegenseitig leicht auf den Füßen.

„Fame Will Eat the Soul“ klingt grob nach Motown-R&B, mit pluckendem E-Bass –  eine eingängige Komposition und ein erster Höhepunkt. „Dark Night of the Soul“ erinnert von der Stimmung entfernt an James Carrs Aufnahme von „Dark End of the Street“ – ein weitgehend ruhig fließender, gelungener R&B-Song, lediglich Morrisons Gesang bleibt zurückhaltender. „In Search of Grace“ ist wiederum ein melancholisch-beschwingter Motown-R&B-Song ähnlich wie „Fame Will Eat the Soul“. Die etwas hart klingende Solo-Akustikgitarre erscheint hier allerdings als merkwürdiger Fremdkörper, auch die Hammond-Orgel zuckt leicht nervös im Arrangement.

„Nobody in Charge“ klingt mit seinem geshuffelten Rhythmus dann noch beschwingter, ohne Melancholie – auch der erstmalige Verzicht auf Besen beim Schlagzeug im Laufe des Albums macht sich positiv bemerkbar. Einen Höhepunkt stellt Morrisons gelungene Sax-Melodie dar. Das melancholisch-getragene „You Don’t Understand“ – auf dem Blues-Schema aufgebaut – überzeugt atmosphärisch, auch hier wieder mit ‚herkömmlichem‘, zurückhaltendem Schlagzeug, Hammond mit sphärischem Leslie und angenehm eingestreutem Kontrabass.

„Read Between the Lines“ überrascht mit verschachteltem Rhythmus mit Latin-Groove, bevor der Song gradlinig wird, mit ansteckendem Hammond-Solo – tolle Komposition mit gelungener Erzählung zu Unwägbarkeiten des Lebens. „Does Love Conquer All?“ stellt eine der ultimativen Sinnfragen, musikalisch untermalt von Hammond, gedämpfter E-Gitarre und  reduzierten Vibraphon-Sprenkeln. „Early Days“ referenziert die frühen Tage des Rock’n’Roll und die für den Musiker damit verbundene freudige Erinnerung – flott, und doch eher zurückhaltend jazzig gespielt, mit Boogie-Woogie-Piano, Claps und einmal mehr tollem Saxofon-Solo. Der Song ist, wie zu erwarten, im Blues-Schema gehalten.

„If We Wait for Mountains“ bietet eine typisch getragene, fast stehend langsame Morrison-Ballade, mit Rim-Click-Snare – und gerade hier offenbart Morrison eine seiner Stärken, eine stimmige und interessante Komposition. Nur die Hammond-Orgel sticht an manchen Stellen ungewöhnlich heraus. Minimal flotter: „Up on Broadway“, in ähnlichem Fahrwasser, ebenfalls interessant. Der Titelsong hingegen erscheint unentschlossen als Midtempo-Blues, mit Percussion dicht arrangiert, zwischen einem Zündfunken, der irgendwo angedeutet wird, und routiniert abgespultem Arrangement.

Wirken die 14 Kompositionen routiniert bis interessant gelungen, erweist sich das Album hingegen als klanglich merkwürdig durchwachsen: „Three Chords and the Truth“ klingt durchweg seltsam dumpf und eher dünn. Akustikgitarren stechen dynamisch seltsam sprunghaft heraus, mit etwas kratziger Ästhetik – ähnlich einer Tonabnehmer- statt einer Mikrofon-Abnahme. Die Snare-Drum lässt Körper und Offenheit vermissen, stattdessen drängt sich die Analogie raschelnder Pappe auf (etwa bei „Bags under My Eyes“); auch stechen die Hochmitten teilweise unangenehm hervor. Insgesamt klingt „Fame Will Eat the Soul“ besonders ‚kompakt‘, was zwar noch knapp zur Song-Energie passen mag, allerdings keine wirklich gut klingende Aufnahme darstellt. Die Triangel im Opener hingegen muss vom Hörer nahezu bewusst ausgeblendet werden, um nicht zu nerven.

Die Instrumente – E-Gitarre, Kontrabass, Akustikgitarre – stehen mitunter etwas plastischer greifbar im Mix als der Gesang, der zwar laut ist, aber weit entfernt wirkt. Der mitunter nasale Stimmton Morrisons wird bis auf Ausnahmen gut gehändelt (lediglich bei „Does Love Conquer All“ oder „Days Gone By“ kommt das Timbre etwas ‚hupend‘ hervor – ähnlich wie etwa bei seinem Klassiker „Days Like This“). Ansonsten funktioniert der Gesang aufgrund seines stimmlichen Charismas gut. Schade, dass die Aufnahme deutliches Potenzial verschenkt – wie stimmig Van Morrison in einem typischen Arrangement klanglich sein kann, zeigt sich etwa im Duett mit Mark Knopfler bei „The Last Laugh“, begleitet von Knopflers Band, auf dessen 2000er Album „Sailing to Philadelphia“.

 

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