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J.J. CALE – DER WIEDERBELEBTE KÖNIG

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Der wiederbelebte König: Noch nie gehörte Songs von J.J. Cale

Artikel von Richard Koechli, erschienen in „Schweiz am Wochende“.

Zum Autor: Der Musiker, Buchautor und Swiss-Blues-Award-Gewinner Richard Koechli ist ein weiterer J.-J.-Jünger aus der Schweiz. Das Erbe des Meisters weitertragen will er auch literarisch; der 57-jährige Luzerner schreibt seit einem Jahr an einer romanartigen Biografie über J. J. Cale. Das Buch wird voraussichtlich diesen Herbst erscheinen.

 

Sechs Jahre nach dem Tod von J. J. Cale gibt es ein Lebenszeichen des Königs der entspannten Grooves. «Stay Around» erscheint – ein Album mit unveröffentlichten Songs.

Antistars wie J. J. Cale sind durch ihre unspektakuläre Arbeits- und Lebensweise für Legendenstoff nicht gemacht. Trotzdem können sie auf stille Weise die Kultur­geschichte beeinflussen. Manchmal auch nach ihrem Ableben, in seltenen Fällen sogar mit taufrischem Material: Am 26. April erscheint «Stay Around», das posthume Album von John Weldon Cale, besser bekannt als J. J. Cale. Keine aufgewärmte Suppe, keine halbfertigen Demos; es sind vom Meister persönlich produzierte und nie gehörte, vorzügliche Aufnahmen. Für Cale-Fans eine Sensation – für alle andern ein Grund, seine traumhafte Americana-Kunst endlich wahrzunehmen.

Am 26. Juli 2013, mit 74 Jahren, erlag J. J. Cale einem Herz­infarkt. Bei Stars aus der Mythen-Liga dauert es in der Regel wenige Wochen, bis die schub- ladenfertige Biografie im Handel erscheint – bei J. J. Cale herrscht seit sechs Jahren Stille. Es wird seine Grabesruhe kaum stören, denn um den grossen Erfolg hat sich der kauzige Einzelgänger nie gekümmert. «Schick einfach das Geld und lass die Jungen berühmt werden», soll er seinem Produzenten Audie Ashworth gesagt haben, als dieser ihn zu stark pushen wollte.

Jahrelanges Leben im Wohnwagen

Das Geld kam; vor allem durch Stars wie Eric Clapton oder Lynyrd Skynyrd, die seine Songs aufnahmen, aber auch durch 17 eigene Alben, die ihm eine treue Fangemeinde bescherten. Genug, um entspannt leben zu können – während Jahren in einem Wohnwagen, wo der Mann ohne Bankkonto seine Ersparnisse versteckte, später in einem bescheidenen Haus im Süden Kaliforniens. Noch mehr als Geld hagelte es Lob. «Es gibt schlicht niemanden, der über J. J. Cale jemals etwas Schlechtes erzählt hätte», meint sein langjähriger Agent und Manager Mike Kappus. Einer der Guten, den man einfach lieben musste – auch wenn er als Interviewpartner schon mal ziemlich wortkarg sein konnte.

Abgeklärter Tulsa-Sound

Cales Beitrag zur amerikanischen Musik war dagegen alles andere als karg. Mit seinem abgeklärten Mix aus Blues, Rockabilly, Country und Jazz, dem sogenannten Tulsa-Sound, ist er ohne Zweifel einer der einflussreichsten Songschreiber und Gitarristen des vergangenen Jahrhunderts. Die Grössten der Rock-, Pop- und Country-Musik gingen vor ihm auf die Knie. Allen voran Eric Clapton; in seiner Autobiografie nennt er Cale

«einen der bedeutendsten Künstler, der in aller Stille den grössten Wert darstellt, den sein Land je hatte».

Clapton verdankt ihm viel – Cale zeigte «Slowhand» Anfang der 70er-Jahre den Weg aus der Rock-Guitar-Hero-Sackgasse. Als Gegenleistung spielte Clapton für sein Vorbild den Lebensversicherer (mit ertragreichen Coverversionen von «After Midnight» und «Cocaine») und co-produzierte 2006 Cales kommerziell erfolgreichstes Album «Road To Escondido».

Doch da sind Scharen weiterer Giganten, die Cale bewunderten. Tom Petty (1950–2017), Johnny Cash (1932–2003), Carlos Santana oder Neil Young. Dieser schwärmt in seiner Autobiografie:

«Cales Gitarrenspiel war für mich ein grosser Einfluss, eine unbeschreibliche Berührung.»

Auch jüngere sind dabei; Beck zum Beispiel, der Cales «Mühelosigkeit, sein musikalisches Understatement» in der Zeitung «L. A. Times» als «sehr mächtig» bezeichnet.

Einziges Konzert in der Schweiz

Überall auf der Welt sind J.-J.-Jünger gross geworden, auch hierzulande: Nach Cales einzigem Schweizer Konzert (1994 in der Eulachhalle Winterthur) stürmte Hank Shizzoe mit einem Kassettengerät in des Meisters Garderobe, um ihm seine Version von «Mona» vorzuspielen; und vor jeder Aufführung des Zürcher Musikers und Kabarettisten Blues Max klingt aus dem Saallautsprecher Übervater J. J.’s Début­album «Naturally».

Vom grössten aller Cale-Fans haben wir noch gar nicht gesprochen: Mark Knopfler. Bei den ersten Dire-Straits-Alben ist der Einfluss von Cales frühen Werken derart gross, dass es beinahe unheimlich wirkt.

Doch nur ein kleiner Teil der Knopfler-Fans ist sich bewusst, dass ihr Gitarrengott ohne Cale nie so klingen würde.

Es ist typisch – Cale war ­während 40 Jahren ein «under-the-radar giant» («New York Times»). Am meisten unterbewertet ist vielleicht sogar sein Gesang. Diese feingliedrige, intime Stimme, das raffinierte Konzept, sie im Mix so zu platzieren, dass sie die Musik nicht überragt und man dennoch den Eindruck hat, Cale würde einem direkt ins Ohr flüstern – diese Gesangsästhetik macht ihm keiner nach.

«My Baby Blues», vor 40 Jahren aufgenommen

Und das neue Album? Schlechte J.-J.-Cale-Platten gibt’s keine. Unzählige Songperlen hat er produziert; kleine Meisterwerke der Laid-back-Kunst, zeitlose, impressionistische Kurzgeschichten. Nun sind 15 neue dazugekommen – ausgewählt von seiner Witwe und Mitmusikerin Christine Lakeland sowie von seinen langjährigen Wegbegleitern Mike Kappus und Jim Karstein. Unberührte Songs, von Cale aufgenommen und gemischt.

Warum sie jetzt erst ans Tageslicht kommen? Für ihn nicht ungewöhnlich; er hatte offenbar regelmässig gewisse Songs für spätere Platten reserviert. Das fantastisch groovende «Chasing You» und der zarte Love-Song «Stay Around» wurden als Sin­gle bereits vorveröffentlicht. Auch der Rest ist eine glaubwürdige und berührende Cale-Mischung – mit allem, was ihn auszeichnete. Traumhaft treffsichere Gitarrentöne, federleichte Grooves, mal abgehangen, mal vorwärtstreibend, bewusst arrangierte Natürlichkeit, quasi-solo und dann wieder mitten in einer Band voller Freunde.

J.-J.-Cale-Fans sind Album­hörer und können kaum verbindliche Songtipps geben – ganz unverbindlich dennoch: «Tell You Bout Her», «Tell Daddy», «Girl Of Mine», «If We Try» und natürlich das von seiner Frau Christine geschriebene Stück «My Baby Blues», welches die beiden vor über 40 Jahren gemeinsam aufnahmen. Oder vielleicht doch besser das ganze Album …

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